Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „BEFREIRAUM – eine feministische Bildungswerkstatt“ fand am 16.11.2020 – auf Grund der Corona-Pandemie leider auf Zoom – der Workshop „Prägung überwinden – eine Reflexion über die Pop-Kultur“ statt. Ziel war es anhand von Beispielen aus der Pop-Kultur ein Gespräch über Prägung, Geschlechterrollen und Verhaltensmuster zu führen. In diesem Artikel möchte ich Perspektiven und Gedanken, die während des Workshops geäußert wurden, zusammenfassen. Die Zusammenfassung des gesagten ist oft sehr verallgemeinert und gibt Perspektiven wieder als wären sie Fakten. An dieser Stelle sei jedoch gesagt, dass es sich hierbei keinesfalls um eine streng wissenschaftliche Arbeit handelt, sondern lediglich um ein Gedankenprotokoll der im Workshop geteilten persönlichen Erfahrungen und Gedanken. Alle Positionen und Perspektiven stehen zur Diskussion, wir haben nicht den Anspruch auf Allgemeingültigkeit oder Weisheit.
Wie wir uns in Beziehungen verhalten wurde sowohl von weiblichen als auch von männlichen Teilnehmenden als stark von Geschlecht und Rolle abhängig empfunden. Ein Teilnehmer berichtete in der Vergangenheit oft darunter gelitten zu haben, dass er seine Beziehung unbewusst mit dem Stereotypen Modell eines Männerlebens verglich: In der Jugend viele verschiedene Partnerinnen, dann irgendwann Haus, Frau, Kinder.
Wenn Frauen verlassen werden entgleisen sie in Filmen und Serien oft emotional. Sie verhalten sich dann sehr selbstzerstörerisch und lassen sich vollkommen gehen. Klassisches Bild: Eine frisch verlassene Frau sitzt, eine große Packung Eiscreme löffelnd, auf dem Sofa, schaut sich einen romantischen Film an und weint dazu. Einer Teilnehmerin viel dieses Muster nach einer Trennung bei ihr selbst auf und sie fragte sich, warum sie denkt sich so verhalten zu müssen. Stattdessen wollte sie viel lieber die vergangene Beziehung feiern und Dankbarkeit für die gemeinsame Zeit empfinden.
Sich selbst nur in der Außenwirkung wahrnehmen. Eine andere Teilnehmerin teilte eine Geschichte darüber, wie ihr nach einer Beziehung bewusst wurde, dass sie sich und ihren Partner während der Beziehung hauptsächlich anhand der vermeintlichen Wirkung nach außen bewertet hat. Sie fragte sich warum es ihr so schwer viel sich stattdessen auf ihre Gefühle zu konzentrieren und sich nicht an einem übergestülpten Anspruch an ihre Außenwirkung zu messen.
Selbstbestimmt nein sagen, wird nicht als besonders weiblich empfunden. Eine Teilnehmerin berichtete, wie ihr und ihren beiden Schwestern kürzlich auffiel, dass sie alle in unterschiedlichen Lebensbereichen gerade Schwierigkeiten haben „Nein“ zu sagen. Sei es beruflich oder privat , von Frauen wird erwartet, dass sie lieb und sanft sind – ein selbstbestimmtes „Nein“, aus welchen Gründen auch immer, passt für viele nicht in ihr Selbstbild.
Drama muss sein. Ein Teilnehmer berichtete, dass er in seiner Jugend stark von einer Figur aus einem Film geprägt wurde. Die Figur war ein Künstler und als sie eine Trennung durchlebte war diese sehr dramatisch und chaotisch. Heute ist der Teilnehmer selbst Künstler und ertappt sich selbst manchmal dabei die Dinge dramatischer zu machen als sie es eigentlich sind. Ein anderer Teilnehmer fügte hinzu, dass er auch die Vorstellung mit sich herumträgt, dass Trennungen immer dramatisch sein müssen und es danach automatisch kompliziert werden muss. Es gibt auch positive Prägung, gab ein weiterer Teilnehmer zu bedenken. Diese Bemerkung öffnete den Raum für eine Diskussion über das Fehlen von Vorbildern und gesellschaftlichen „Leuchtturm Mythen“ die jungen Menschen das Spektrum an möglichen Verhaltensweisen aufzeigen. Die Funktion der Prägung, die in früheren menschlichen Gesellschaften durch Mythen und Rituale aktiv und mit Intention erfüllt wurde, wird heutzutage – zumindest in westlichen Gesellschaften – nun mehr nebenbei von Medien und dem persönlichen Umfeld erfüllt. Dabei ist das Spektrum an zur Verfügung stehenden Rollenbildern sehr begrenzt und bedient sich häufig derselben Verhaltensmuster und Annahmen darüber wie sich männlich und weiblich sozialisierte Personen jeweils zu verhalten haben. Das führt dazu, dass junge Menschen oft in Situationen geraten, in denen sie sich zerrissen fühlen zwischen ihren Gefühlen und einer eingeprägten Vorstellung davon wie sie sich in einer gegebenen Situation zu fühlen und verhalten haben. Mehrere Teilnehmende äußerten, dass sie sich immer noch im Prozess des „Entlernens“ dieser Muster befinden und dass es ihnen oft schwerfällt den Raum und die richtigen Menschen zu finden um die nötige Kommunikation über ihre Gefühle und Gedanken zu üben und sich zu öffnen.
Feministische Pop-Ikonen, wie zum Beispiel Beyoncé, Niki Minaj oder Cardi B wurden von den weiblichen Teilnehmenden mehrheitlich als äußerst positiv empfunden, da sie das Spektrum dessen, was es bedeutet eine Feministin zu sein, verbreitern, sich ihrer Sexualität und Körper ermächtigen und diese nicht über Männer definieren, sondern nur über sich selbst. Außerdem wurde das Sichtbarwerden und die damit einhergehende Enttabuisierung des weiblichen Körpers als sehr positiv empfunden. Diese Perspektive wurde auch von den männlichen Teilnehmenden geteilt. Ein Teilnehmer äußerte, jedoch die Kritik, dass diese Form des Feminismus nicht grundsätzlich mit den Kategorien Mann und Frau breche.
Warum haben Männer oft Probleme damit sich ihren Gefühlen zu stellen? Diese Frage kam im Laufe des Gesprächs an verschiedenen Stellen auf. Ein Aspekt der sowohl von männlichen als auch von weiblichen Teilnehmenden vermutet wurde, ist dass es nicht zur männlichen Erziehung gehört den Umgang oder das Zulassen von Emotionen zu üben. Für Mädchen ist es okay zu weinen oder sonst wie Emotionen zur Schau zu stellen, für einen Jungen ist das ab einem gewissen Alter ein Zeichen von Schwäche und wird mit verringertem Ansehen bestraft. Das kann dazu führen, dass sich mehr und mehr Emotionen anstauen, die sich für Männer dann immer bedrohlicher anfühlen und dazu führen, dass sie sich lieber gar nicht mehr mit ihnen beschäftigen und Meister der Verdrängung werden. Ein weiterer Aspekt, der mit dem ersten zusammenhängt, ist, dass es für Männer leicht ist sich nicht mit ihrer Männlichkeit, problematischem Verhalten oder ihren Gefühlen auseinanderzusetzen. Es ist gesellschaftlich vollkommen akzeptiert aber wird auch erwartet, dass ein Mann nicht weiß, wie er seine Gefühle ausdrücken kann und es dem zur Folge auch nicht tut. Die Verknüpfung dieser beiden Aspekte führt oft dazu, dass Männer sich in Situationen, in denen sie beginnen ihre Gefühle zu ahnen, Hals über Kopf männliche Verhaltensweisen und Muster flüchten, weil sie sich dort sicher und überlegen fühlen.
Das führt häufig zu ungesundem Konsumverhalten. In Filmen und Serien ist ein häufig transportiertes Bild, das eines frustrierten Mannes, der in einer Bar sitzt und Alkohol zu sich nimmt. Dieses Muster gleitet oft auch in den vollkommenen Exzess als Verarbeitungsstrategie für emotionalen Stress ab.
Während des Workshops wurde von mehreren Teilnehmenden geäußert, dass es ihnen extrem gut tut sich in dieser Art und Weise zu öffnen und über ihre Gedanken zum Thema Prägung und Geschlechterrollen zu sprechen. Es wurde allgemein als schwierig empfunden den Raum und die richtigen Personen zu finden, um diese Themen zu besprechen, andere Perspektiven zu hören und eigene Erfahrungen zu teilen.